KI und Zeitenwende eine Geschichte Kapitel 1
In der Folgenden Geschichte soll über mehrere Kapitel der Bogen von N&W zu den realen Ereignissen um Nikolas Roerich und seinem grünen Kristall , dem Chintamanie (Siehe Selbstzeichnung Roerich), sowie der akutellen Siutation der KI- Entwicklung gespannt werden. Natürlich nicht ohne eine ordentliche Portion Mystik. Also auf in den Reigen von Realität und Sage, Mystik und Wirklichkeit.
Kapitel 1 Nikolas Roerichs zeitliche Dilatation in die Zukunft des Dr. Clavicula
Exotisch, mystisch oder magisch wären zutreffende Zuschreibungen des Anblicks gewesen. Zumindest hätten viele Menschen es an vielen Orten der Welt und zu vielen Zeitpunkten der Menschheitsgeschichte so empfunden. Doch derlei Assoziationen entstanden nur äußerst selten im New York der zwanziger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts. An fremdartige Reisende war man in der Neuen Welt gewöhnt. Selbst an solche, die im Mönchsgewand von einem der vielen rauchenden Dampfer stiegen. Sie kamen zwar nur gelegentlich, aber dennoch setzten diese geheimnisumwobenen Menschen ihre Füße an die Ufer des fernen Kontinents. Im Gewusel des Einwandererhafens beäugten einige Arbeiter sie mit zugekniffenen Augen und verzogen verwundert ihre Miene. Aber ihr Interesse war nur wenig gesteigert gegenüber all den anderen Ankömmlingen, die aus aller Herren Ländern ihre Freiheit hier suchten. Schnell waren die rauen Männer wieder von ihrer Arbeit eingenommen und schleppen schwitzend Warensäcke aus Schiffsbäuchen in Speicherhäuser.
Nass war der Abend an diesem Spätsommertag, als ein ganz spezielles rostige Metallungetüm anlegte. Leichter Nieselregen tröpfelte durch ein dichtes Gewölk aus Nebel und Kohledampf. Kroch langsam feucht in all die Ritzen der hölzernen Schiffsbrücke, die bei seiner Ankunft aufgestellt wurde. Wie all die Reisenden aus weiter Ferne flüsterte auch der rieselnde Traum des Meeres in jedem zarten Tropfen seines Niederschlags Hoffnung auf ein neues Sein in Freiheit und fern der alten feudalen Ketten. Und doch war er vermischt mit dunklem Kohledreck, der aus der alten Welt mit hergeführt und ohne Unterlass in den neuen freien Himmel geblasen wurde.
Die Matrosen der „Trade“ brüllten sich beim Anlegemanöver mit ihren kargen Stimmen langer Seefahrerjahre an. Mit Wucht warfen sie die dicken Tampen auf die glitschigen Anlegedocks und ließen festmachen. Endlich klopften sie sich beim ersehnten Landgang freudig auf die kräftigen Schultern. Sie sprachen vom Glück, vom reinsten Glück, dass ihr alter Karren überhaupt die lange Reise überstanden hatte.
Doch Glück war es nicht, auch keine Fügung, kein Zufall und kein nautisches Können ihres Kapitäns. Es war eine Fracht, die gleichwohl keiner von ihnen kannte. Ein kleiner Juwel, verborgen, eine Tür weit nur weg von den anderen Kajüten, liegend und behütete in einer Holzkiste. Begleitet von zwei Mönchen. Ein junger und ein alter, die sich unter all den anderen Reisenden an Bord befanden. Sie versteckten ihr grünes Karfunkel. Ein Gestein, das selbst die mächtigen Ozeanstürme bezwang. Tiefgreifendes unsichtbares Astraldiktat ließ es während der langen Überfahrt in alle Himmelrichtungen aussenden. Wundersam und doch fast unbemerkt heulten und schrien die Meereswinde sich dem Befehl des Steines beugend in sicher Entfernung aus. Sie verloren ihre donnernde Naturgewalt beim auszuwehen, ohne dass die Trade etwas bemerkte oder gar in Gefahr geriet versenken zu werden. Eine mysteriöse Struktur begabend, befähigend, die zerstörerische Wucht des Meeres auf andere Wege als seine natürlichen zu weisen. Wie diese Fracht das vollbrachte? Die Kenner der Arkana wissen es. Doch sie schweigen.
Mit teils gemächlichen teils eleganten Schritten gingen die beiden Gelehrten des asiatischen Hochgebirges von Bord. Sie waren umgeben vom Gedrängel der anderen Einwanderer. Die meisten waren ärmlich gekleidet, einige nur in Lumpen gehüllt, wenige trugen besseres Tuch. Eine freudige Erregung durchflutete die vielen Neuankömmlinge und der Klang slavischer Sprachen vibrierte durch die nasskalte Luft. Am Ende der Docks sammelten sich die Migranten in großen graudunklen Menschentrauben und warteten auf ihre Registrierung beim Einwanderungsamt. Kinder saßen müde auf den spärlichen Besitztümern ihrer Familien. Auf kleinen Koffern und Rücksäcken hockten sie oder spielten aufgeregt mit ihren Geschwistern fangen. Liefen im Kreis lustig rufend einander nachstellend und rannten um das mit dem Wenigen gefüllten herum, was sie Eigentum nannten. Dann hielten sie zwischendurch hechelnd ein, wenn wieder ein Familienname aufgerufen wurde und schauten wie ihre Eltern voller Vorfreude in Richtung des gelobten Landes. Ob es nun diesmal sie es wären, die hindurch dürften?
Zwei Männer in kräftiger oranger Robe standen am Dock abseits der Menge. Der Ältere umfasste seine Rundlichkeit und schaute ruhig zu Boden. Der Jüngere kräftig gebaut, hielt Ausschau. Sie warteten, bis schließlich ein Mann auf sie zukam. Er näherte sich in zügigen Schritten und hielt einen Regenschirm aufgespannt schützend über sich. Man sah ihm an wie wichtig es ihm war, nicht von den kleinen Nieseltropfen getroffen zu werden. Fein wirkte seine Gestallt und elegant sein Auftreten. Er trug einen Anzug wie ihn die Bankiers und Industriellen seiner Zeit zu tragen pflegten.
Dann blieb er abrupt stehen und hielt den Mönchen eine Kiste entgegen. Der Ältere lächelte ihn an und griff nach dem rechteckigen Postpaket: „Danke, dass Sie gekommen.“
„Nur zu gerne Meister Dampa,“ sagte der Mann höflich und zeigte auf das Postpaket.
„Die Fracht, dort hinein. Dann folgen Sie mir … bitte.“
Dampas Schüler Chöpal öffnete die hölzerne Postkiste und der Alte legte seine kleine aber höchst wertvolle Fracht, die er die ganze Reise über in einer braunen Schatulle aufbewahrte, hinein. Behutsam schloss Chöpal das Paket. Der Bänker klebte nun eine Frankatur auf. Dann nahm er einen Stift und schrieb in großen feinen Lettern.
An: N. Roerich
5 Places Vendome
Von: Bankers Trust, dem König der Welt
Der Bänker nahm die Kiste und ging voraus, der Zollstation entgegen. Die Mönche folgen mit wenig Abstand. Die drei schritten ganz selbstverständlich an der Menge vorbei und durch die Abfertigung, ohne das Prozedere bürokratischer Vormundschaft zu beachten. Ein beleibter junger Zollbeamter kam ihnen händewedelnd und zornig rufend entgegen. Der Bankier schaute ihn nur streng an und reichte ihm die Kiste. Ein zweiter Beamter mit grauen Haaren kam gelaufen und flüsterte dem ersten Staatsdiener, der die Kiste aggressiv musterte, etwas ins Ohr. Erkennend wer vor ihm stand, machte der sich eben noch aufplusternde Mann nun ehrfürchtig einen Diener. Dem Herrn seine Kiste gebend, bat er höflichst, ja fast niederträchtig um Vergebung. Er lief dabei rot an und kleine Schweißperlen mischten sich mit dem stärker werdenden Regen auf seiner Stirn. Der Bankier war unbeeindruckt und ignorierte den profanen Mann. Die drei zogen unbehelligt ihres Weges.
Ein Chauffeur in einem Ford A wartete an der Hafenstraße. Der junge Chöpal betrachtete das geparkte Objekt argwöhnisch. Die Magie der Westleute war mächtig, aber er hatte seine Vorbehalte. Im großen Schiff beobachtete er bereits die Feuerrituale der Crew tief im Bauch des Stahlrumpfes. Es waren ungewöhnliche Gebärenden. Die ständigen Feueropfer mit denen ein Teil der Mannschaft den mächtigen Geist, der das Schiff vorantrieb, rund um die Uhr ihn beschworen, besänftigten und hörig machten, waren ihm gänzlich neu. Aber dieses kleine Metallgefährt, das nun vor ihnen stand, hatte niemanden, der nach Chöpals dafürhalten seinen Geist evozieren könnte. Nur einen gelangweilten und müd schauenden Mann mit einer Mütze, der ein Rand in der Hand hielt, saß in ihm. Wie sollte das funktionieren? Welch Dämon würde so einen Menschen respektieren, als dass er ihn willfährig über die Straßen trägen würde.
Doch seine Vorbehalte halfen nichts. Sein Meister stieg ein und er musste folgen. Langsam fuhren sie los, dem großen Lichtermeer der Stadt entgegen. Der Mann mit dem Rad machte dabei nichts, außer es in die Richtung zu drehen in die er fahren wollte und ab und zu den Boden mit seinen Füssen zu treten. Wie war das nur möglich?
Gräulich grauend glimmte ihr Ziel wie ein trüber Sternenhimmel durch die Nebel des Abends. Ein von Menschen auf die Erde gebanntes Leuchten in der Nacht. ‚Ich bin der glanzvolle Herold einer neuen Zeit‘, rief die Stadt mit Mut und Zuversicht einem jeden Fremdling entgegen.
New York war voller Leben und all seine Wunder spiegelten sich in der vor Faszination glänzenden Iris Chöpals. Er bestaunte Gebäude, die so hoch aufragten, dass ihre kunstvollen Fassaden in dem fahlen dunklen Gewölk, das dicht über den Straßen hing, verschwanden. Titanen der neuen Welt, kunstvolle Ungeheuer und manchmal auch skelettierte Scheusale eines mächtigen Überwesens erblickte er in ihnen. Sowas hatte er noch nie gesehen und so gingen ihm alle möglichen Assoziationen aus seiner Heimat durch den Kopf. Doch sie passten nicht zu dem, was er sah. Dann all die Leute, die durch die Straßen und Häuserschluchten hasteten und ihren Wünschen nachjagten. All die stählenden Artefakte mit denen die Westmenschen, allein oder in Gruppen über die Straßen brausten. Welch mächtige Magie diese Stadt doch durchflutete. So viele neue Eindrücke prasselten auf den jungen Tibeter ein. Unverstandenes, Neugierde und Sehnsucht erweckendes, Befremdliches und auch unübersehbare hübsche Weiblichkeit breitete sich vor ihm aus, dass er gar nicht wusste wo er sein Blick als nächstes hinwenden sollte. Seine Skepsis dem Auto gegenüber, in dem er vor wenigen Augenblicken noch argwöhnisch Platz genommen hatte, war über all das Gesehene bereits vergessen.
Der Alte wirkte hingegen in sich versunken. Sein Blick war gesenkt, seine Augen halb geschlossen und nach unten auf seine verschränkten Hände gerichtet. All der Trubel zog an ihm vorüber, ohne dass er Notiz nahm.
„Wir sind nun gleich angekommen, werte Gäste“, sagte der Bankier nach einer halben Stunde. Er hatte die Fahrt über nur wenige Worte mit Dampa gewechselte und räusperte sich bei diesen Worten auffällig. Das Auto kam vor einem der Hochhäuser der Stadt zum Stehen.
Alle stiegen aus und standen nun vor diesem leuchtenden länglichen Titanen aus Glas, Stahl und Beton. Wie eine Nadel reckte er sich in den Himmel nach obenhin immer dünner werdend, immer weiter sich streckend. Ein Diener erschien und führte sie sogleich zum Haupteingang.
Dort wartete die Hausherrin Helena Roerich auf ihre Gäste. Man sah ihr die Aufregung regelrecht an. Nervös ging sie auf und ab und hielt Ausschau. Freudestrahlend rief sie auf, als sie die Besucher erblickte. Ihr langes Kleid ganz in Gelb gehalten, wallte, als sie loslief, kunstvolle durch die Luft. Wie eine Sylphe kam sie fast schwebend herangeeilt. Herzlichst umarmte sie erst Dampa und dann Chöpal. Der etwas überrumpelte alte Mönch lächelte höfflich, der junge grinste beschwingt. Nur um dann sogleich einzuhalten. Hatte er doch eine wichtige Mönchsregel durch diesen Akt der Begrüßung gebrochen. Frauen berühren war untersagt.
Helena redete gleich voller Energie auf ihre ersehnten Gäste ein, so dass Chöpals Reflektionen über Mönchsregeln schnell in ihren lieblichen Worten verflogen und seine Augen an ihren vollen Lippen hingen. Sie erkundigte sich neugierig über die lange Reise, die Überfahrt, die Umstände und ihr Wohlbefinden, als sie gemeinsam ins Gebäude gingen. Dampa sagte wenig, denn sein Schüler hatte offenbar genug über ihre Reise und allerlei Umstände zu erzählen.
In der ausladenden Empfangshalle des Master Apartments wartete in gelborangener Tracht im Stil des Ostens Nikolas Roerich und begrüßte seine alten Weggefährten. Es war ein freudiges Wiedersehen. „Ein halbes Jahr“, sagte Nikolas, denn so lange reisten die Mönche mit der Familie Roerich durch das Hochgebirge des Himalayas auf der Suche nach alten Legenden und neuen Visionen. „Ein halbes Jahr waren wir zusammen auf Reisen. Drei Jahre getrennt. Oh, seit mir herzlichst willkommen alte Freunde!“
Es waren entbehrliche Monate, in denen die Abenteurer des Westens und die Mystiker des Ostens Freunde wurden. Aber nicht nur das, sie fanden etwas, dass die Welt verändern könnte. Zugänge und Tore zeigten sich auf ihren verschlungenen Wanderungen. Alte verborgene Gänge wisperten und raunten gefunden werden zu wollen und die Gruppe entdeckte dunkle Gefilde, die in unbekanntes Neues führen könnten.
Während die Freunde freudig plaudernd, zum Speisesaal in die obersten Stockwerke gingen und die Diener die Reisekoffer in die Gästezimmer brauchten, kam unbeachtet eine schwarz gekleidete Gestalt die Straße hinauf. Langsam ging sie zum Nebeneingang und trat ganz selbstverständlich in die Bedienstetenräume ein. Ein kurzer Wortwechsel mit dem Hausbutler gespickt mit hinterhältigen Suggestionen überzeugte diesen schnell, dass die dunkle fremde Person hier schön länger arbeitete und heute eingeteilt war. Er wies ihn mit stumpfen, aber herrischen Worten an, ohne weitere Aufmerksamkeit auf ihn zu richten, seine Arbeit zu tun.
Was er noch so rumstehe, wollte ein andere Diener wissen der bereits am Arbeiten war und stieß den Fremden mit der Schulter. Mürrisch dreinschauend gingen zwei weitere Diener an ihm vorbei zu den Küchen.
„Komm schon beeile dich“, schimpften sie ihn an.
Das war einfach, dachte sich der dunkle Geselle und ging zu den Umkleideräumen sich umziehen. Er hatte die beiden Mönche schon lange beobachtet, war mitgereist als Kaufmann getarnt, hielt sich zurück aber betrachtete genau und war nun der Erfüllung seines Auftrages dichter als je zuvor. Die Stürme hatte er während der Überfahrt beobachtete und erkannte schnell, dass etwas nicht stimmte. Die feinen unsichtbaren Zwänge, die vom Schiff in das Feinwerk der Natur ausstrahlten blieben ihm nicht verborgen. Keineswegs war er so leichtgläubig wie die Crew. Glück, sowas gab es in seiner Welt nicht.
Als er die Dienstkleidung richtete und sich seine kurzgeschorenen Haare in mit einem leicht rostigen Kamm zum Scheitel gelegt hatte, griff er in seine kleine mitgebrachte Tasche. Er holte einen Zettel heraus. Es war das letzte Telegramm, das ihn sein Lehrmeister zukommen ließ. Las noch einmal aufmerksam jede Zeile und jeden Buchstaben durch seine runden Nickelbrillengläser. Dann lachte er leise und verwegen über die eigenen Gedanken und Wünsche, die in diesem Moment wie loderndes Feuer kurz vor der Erfüllung seiner Mission in ihm aufstiegen. Dann strich er vorsichtig, fast zärtlich über den Namen seines Meisters, am unteren Ende des Telegramms. „Von Sobotte…“ der Rest des Namens war bereits verwischt.
Er legte das Blatt zurück und nahm einen Revolver aus seiner Tasche. Kurz blitze eine rundliche Swastika auf, als das Raumlicht auf die silberne Verzierung am Lauf der Waffe traf. Die Swastika angrinsend verstaute der Mann die Waffe unauffällig in seiner Dienstkleidung. Dann ging er los. Den oberen Stockwerken entgegen. Innerlich lechzend kostete er jeden Schritt aus.
Draußen kam ein plötzlicher Herbststurm auf und blies in kurzer Zeit die dicke Nebelsuppe aus der Stadt und vom nächtlichen Himmel. Der Vollmond kam zum Vorschein und leuchtete durch die hohe Fensterfront des Speisesaals auf den weiß gefliesten Boden. Der Wind brachte die Gläser zum Vibrieren und sein Heulen, das an der Außenfassade vorbeisauste, klang argwöhnisch verheißungsvoll bis in den Innenraum hinein.
Der Bankier stand auf, legte seine Serviette auf den geleerten Teller, danke dem Hausherrn für die Gastfreundschaft und empfahl sich. Die Diener räumten den Essentisch weitestgehend ab und brauchten alles aus dem Raum, sodass die vier Freunde bald allein waren. Dampa schaute Nikolas ernsthaft an und legte die Postkiste auf den Tisch.
„Es so weit ist!“ sagte er langsam, „Wir sind hier, um dir zu überreichen. Den Kristall, die Träne des Buddha.“
Nikolas und Helene traten zur Kiste und öffneten sie behutsam. Helene nahm vorsichtig ehrfürchtig schauend die Schatulle heraus.
„Die Reise muss beginnen!“ sagte Dampa und setzte sich mit Chöpal auf den Boden an die Stelle, wo der Lichtschein des Mondes den Boden streichelte. Helene und Nikolas setzten sich dazu, so dass sie einen Kreis bildeten. Sie wussten was zu tun ist und stellen die Schatulle in die Mitte.
Wenige Schritte trennten den falschen Mitarbeiter noch vom Speisesaal. Wenige Meter, die im leichten Staubdunst des Ganges ihre schicksalshafte Länge grauenhaft verzogen. Plötzlich brach das Fremde wieder ins Bewusstsein des Gesellen. Die anderen Bediensteten kamen scheppernd mit den Essenswagen voller benutzten Geschirrs an ihm vorbei.
„Los komm mit hier sind wir schon fertigt. Mach schon!“ riefen sie ihm entgegen. Er ging ein wenig mit ihnen mit, wurde langsamer blieb stehen und drehte wieder um. Als sie außer Reichweite waren, tastete der Mann mit schweißnassen Händen bereits nach dem Revolvergriff. Zurück in seiner Wahrnehmung und ohne Störung schritt er voran. Sollte er gleich schießen und tödliche Kugeln austeilen oder ihnen eine Chance geben? Reden und fordern oder nur handeln und nehmen? Da war sie, die Tür zum Saal, zum Ziel, zur Erfüllung. Sie lag wie ein Kleinod am Ende des Ganges zum Greifen nah.
Dampa öffnete die kleine Truhe und ein ovaler grüner Kristall, der leicht phosphoreszierte, kam zum Vorschein. Er senkte seine Hand und berührte den Stein mit dem Zeigefinger. Chöpal tat das Gleiche. Nikolas schaute seine Frau an und beide atmeten noch einmal tief durch, dann berührten sie auch den Stein. Vorsichtig legten sie ihre Zeigefinger auf. Die Oberfläche war ganz kalt, eisig wie arktische Berge. Doch ehe sie noch über die ungewöhnliche Frostigkeit des Objektes nachsinnen konnten, durchzuckte es sie bereits. Wie Starkstrom wurden sie von der Macht des Steines durchflutet und mit einem Ruck begann sich der Raum um sie in tausende und abertausende Splitter zu zerlegen. Wie zerberstendes Glas, das man auf den Boden warf, zersprang und zerschellte erbarmungslos das, was sie Realität nannten. Alles zerfiel in die Schwärze eines undefinierbaren Nichts.
Doch nur einen Augenblick später ergriff eine Kräftige Hand Helenas sanfte Finger und zog sie in einen schimmernden Spalt, der sich im Nichts öffnete. Keuchend und noch voller Schrecken in den Augen fiel sie durch den Spalt in eine Höhle. Chöpal stand vor ihr und schaute sie freudig an.
Stark atmend blickte sie auf und sah, wie ihr Mann durch einen Spalt an der Decke fiel und mit einem lauten Dumpf am Boden aufschlug. Dampa half ihm auf und wieß die Gruppe an ihm zu folgen.
Er führte sie in einen großen Höhlenraum dessen Grenzen in sternenhaften Nebeln zu verschwimmen schienen. Kupferig glänzenden Säulen trugen den unerklimmbaren Raum. In seiner Mitte schwebten 4 Sphären. Es waren leuchtende Kristalle voller Schönheit. Ein roter, ein blauer ein grüner und ein goldbrauner Juwel waberten fast tänzelnd mehrere Meter über dem Boden um das Zentrum des Ortes.
Als die Abendteurer vor dem steinernen Schauspiel zum Stehen kamen, drehte Meister Dampa sich um: „Wählt weise meine Freunde, das Auge des Buddha sandte euch die Träne, gereichte euch dieses Tor. Geht nun, wohin es euch auch immer ziehen mag.“
Helena schaute ihren Mann an und lächelte. Dann zeigte sie auf den blauen Kristall. „Komm Nikolas, dorthin zieht es mich!“ Ihr Mann nickte schweigend und beide traten vor, um den blauen Stein zu berühren. Doch noch ehe sie einen Schritt tun konnten, erstrahlte der Kristall und tauchte den ganzen Raum in sphärische Blautöne überweltlicher Schönheit. Er schoss in den Himmel hinauf und riss die beiden Menschen mit sich. In gewaltige Sternenhohen flogen sie dem Stein hinterher. Das ganze Universum durchquerend eilten sie einem unbekannten Ziel sehnsüchtig zerrend entgegen und flogen und flogen. Bis sich aus den umgebenden galaktischen Sternenreigen ein riesenhafter Buddha formte. Sanft lächelnd blickte er sie an und in seinen zusammengelegten Himmelhänden kam der Kristall und die beiden Menschen zum Stehen. Von all den Eindrücken überwältigt sahen Helena und Nikolas nicht, das dem Buddha gegenüber ein Weiser Mann des Orients ebenso aus Sternenstaub gebildet, unbekannte komplexe Muster mit seinem Zeigefinger in den Weltraum schrieb.
Ihnen unbekannte arabische Worte intonierend öffnete sich ein Tor in die physikalische Welt zurück. Einem Blitz gleich wurden beide den blauen Stein haltend hindurchgeschossen und zurück in die Welt einem neuen Raum und einer fernen Zukunft hin entgegengeschleudert.
Leise öffnete der dunkle Geselle die Tür zum Speisesaal und blickte in einen Menschenkreis ruhig meditierender Meister und Lehrlinge. Er lächelte höhnisch spottend, dass man seine Zähne im Mondschein sah und zog seinen Revolver endlich voll gieriger Vorfreude heraus.
Doch die Astrale Reise in ferne Zukunft war vollbracht. Was würde Zeit nun bedeuten für die zurückgebliebenen Körper. Wohin sandte sie der Stein und welche Vision wäre so wichtig, dass sie mit den zwanziger Jahren des 19 Jahrhunderts zu verweben wäre?
Die Dilatation der Zeit verkrümmte die Astralkörper von Helena und Nikolas und zerrte voll Gewalt an den armen Neugierden Seelen. Durch Dunkelheit und Muster waberten sie ihrer Zeit entgegen und platzen um die 100 oder 120 Jahre in der Zukunft in ein Haus in Deutschland hinein.
Dr. Clavicula hörten sie seinen Namen im Raumgeflüster und traten in sein Haus. Die Tür zur Schreiberstube sprang auf und ein stürmischer Windhauch pustete feinsortierte Zettel mit allerlei Transkriptionen alter Zauberkunst und Hexerei durch die Luft. Leise grummelnd fluchte der okkulte Mann, der dort bis jetzt nachdenklich gesessen hatte und sammelte die Blatter wieder ein. Als er zur Tür schaute, war es ihm, als erspähte seine Astralsicht, die er so fleißig Jahr um Jahr geschult hatte, einen blauen Dunsthauch und Silhouetten feiner Menschlichkeit. Doch ehe er genauer hinschauen konnte, verflog was er meinte, gesehen zu haben, in die Alltäglichkeit seines Hauses.
Alltäglichkeit, bei diesen Worten fiel dem Doktor verborgender Künste ein, dass eine liebreißende Frau sich angemeldet hatte. Viele E-Mails waren versandt worden, bevor sie ich bei ihm angemeldet hatte, um seine Bibliothek zu besuchen. Heute wollte er sie abholen. In einer Viertelstunde. Das würde er nie zum Bahnhof schaffen.
Kommentar hinzufügen
Kommentare