Die gewollt ungewollte ontologische Betroffenheit des Herrn Magister Kucera - Kurzgeschichte
Die schon müden Sonnenstrahlen des Nachmittags schienen in sein Lieblingscafé des 6. Wiener Gemeinde Bezirks. Der Staub in der Luft tanzte in ihrem Licht den Reigen der Schwerelosigkeit. Ja so mochte es Herr Kucera. Fein, dachte er, chaotische Ordnung, aber mathematisch exakt vorhersagbar, würde man nur die physikalischen Ausgangsbedingungen jedes Staubkorns genau kennen. Ja so und nicht anders. Er hob seine Tasse mit dem frisch gereichten noch dampfenden Kaffee und genoss ersten heißen und bitteren Geschmack auf der Zunge. So kannte er es so war es gut, fein und recht.
Aber dieser Dr. Pollacek hatte es nicht lassen können. Nein das hatte er nicht… war er doch heute extra, ja extra und mit vorgeschobenem Vorwand bestehend aus einer noch nicht verrichteten Mittagspause, hier in sein Café mitgekommen. Alles nur um nochmals mit ihm, dem Herrn Magister zu korrespondieren. Mündlich und persönlich, versteht sich, den strittigen Punkt ihrer physikalischen Weltsicht weiter zu besprechen und seinen Standpunkt detailliert zu erörtern.
Doch niemals würde der Magister Kucera, der nun schon seit vielen Jahrzehnten brav und vorschriftskonform tätige technische Ingenieur sich solch listigen Ideen hingeben können. So weit kommt es noch, dem Pollacek recht geben. Mit Nichten wird er das. War die Quantenphysik zwar keine neue Theorie, doch Dr. Pollacek hatte es nicht lassen können erneut seine mentalisierende Interpretation vorzubringen. Doch es war dem Magister schon länger klar als der Doktor sich der Physik widmete, wie es sich in Wahrheit mit der verhielte. Auch jetzt als die neue wohlgemerkt leicht grobe Kellnerin durch den Sonnenstrahl hindurchrauschte und all die feinen lieblichen Staubkörner aufwirbelte. Alles ist berechenbare Ordnung selbst Chaos ist eine komplexe Form der Ordnung. Und das Wichtigste, es stellen doch deutlich beide eine Einheit aus reiner Materie da und weiter sonst nicht. Es ist doch gerade der große Verdienst der modernen Welt und ihrer Wissenschaft gewesen endlich diesen ganzen Geist und mit ihm all die religiösen, spiritistischen und gar sonstigen neuzeitlich esoterischer Strömungen rauszuwerfen aus dem echten rationalen Denken. Dieses jetzt aufzuweichen, nein sicher nicht mit ihm, sicher nicht mit Magister Kucera.
Er hatte es schließlich geschafft es auszuhalten. Und wenn er den laplaceschen Dämon ertragen könne und der deterministischen Welt ohne höhere Ordnung ein ehrliches Leben entgegenhalten konnte, möge es doch der Rest der Menschheit auch. Insbesondere der Doktor könnte sich doch bitte endlich von seinen lächerlichen Ideen trennen. Was ist nur mit ihm? Gebildet und dazu noch ein Forscher und dennoch, ja dennoch kindlich in seiner Wahrnehmung des großen Ganzen.
Nun ja, wie dem auch sei... fest steht eindeutig und es wird klar, sobald man sich von ideellen Sehnsüchten zu lösen vermag. Der Kaffee ist real, das Caféhaus ist real und die wunderbaren Tänze der Staubpartikel im Sonnenlicht sind real. Und alles ist Materie und nicht mehr als das. So ist es und basta. Dann wagte der Magister laut zu denken. Murmelnd selbstsicher sagte er: „Ich rufe euch ihr angeblichen Sternenwesen, ihr hohen Wächter, ihre Mächte des Feinstofflichen und Welterklärer. Ach, ihr seid doch alle nur Schall und Rauch. Seid ihr nicht? Häh, ich fordere euch hört ihr, ich fordere euch heraus. Niemals könntet ihr mich hören, denn es gibt euch nicht. Hats nie gegeben! Nur Einbildung lächerlicher Pfaffen und Geistes Schemen von betrügerischen Mönchsgesindel seid ihr…“
Mit diesem Gedanken trank Kucera den letzten Schluck seines Kaffees und wollte sich gerade den neuesten Artikeln der Presse widmen, als er einen Vogel auf der Fensterbank des Cafés gewahrte. Ein Vogel im Innenraum eines Caféhauses sitzend. Was für eine merkwürdige Angelegenheit. Das liebe Tier putze sich das fluffige Gefieder und blickte keck in seine Richtung. Fast herausfordernd schaute es ihn an. Ein Unding! Der Magister wollte gerade empört den Kellner das ungebetene und nicht zugelassen Fremdwesen in diesen Räumlichkeiten melden als…
…ein Flackern durch die Wirklichkeit ging und alles Plötzlich in der Zeit erfror. Ein Wimpernschlag der Stille in der Welt der ständigen Bewegung. Ein Regelbruch?
Ein Hauch, als hätte das Sein gehustet. Der Vogel jedoch war nicht eingefroren nein er flatterte munter zum Magister. Wie gemalt sah er aus. Doch nicht tot. Nein – wartend. Und dann – eine Stimme. Der Vogel sprach. Klänge von hinterhalb der Wirklichkeit, wie ein Riss im Lack einer zu dick aufgetragenen Kulisse.
„Und was sagens dazu, Herr Magister?“ zwitscherte das liebe Tier heraus.
„Das hat mir da gerade noch gefehlt, gel bitte, was erlauben sie sich denn?“ mutig doch zugleich tief erschrocken sprach Herr Kucera den Vogel an.
„Interessante Leistung, Herr Magister. Sie halten sich tapfer. Selbst angesichts des Widerspruchs, den Ihnen die Realität da gerade vor ihren eigenen Augen gebiert.“
Die Luft roch auf einmal nach heißem Kupfer. Der Kaffee am Nachbartisch war plötzlich kalt – eiskalt, obwohl er vor Sekunden noch dampfte. Der Löffel darin drehte sich langsam, obwohl ihn niemand berührt hatte. Er klackerte dem Magister den Hauch der Sonderbarkeit mit grollender Sicherheit entgegen.
„Sagen Sie mir, Kucera… Wenn alles Materie ist, warum kennt Ihr Hirn das Wort Idee, ohne dass es sie wiegt, zählt oder misst? Darüber haben sie doch auch recht ausführlich mit ihren Herrn Doktor unterhalten, oder?“
Ein Klacken hinter Herrn Kucera. Jemand, oder etwas, setzte sich auf den Stuhl, wo vor 10 Minuten noch der Dr. Pollacek saß. Doch es ist nicht der Doktor. Es war der Vogel, der sich sich in einen Schatten verwandelte, gekleidet in maßgeschneidertes Schwarz. Kein Gesicht. Stattdessen ein endloser Sternenhimmel, dort wo Augen sein sollten. Ein Schlund aus Bedeutung.
„So besser Herr Kucera? Ach, schauen sie mich doch nicht so verwirrt an.“
Er lehnte sich vor. Die Tischplatte krümmte sich leicht.
„Sie nennen sich doch so gerne rational. Sagen Sie mir, wie viele Elektronen braucht ein Gedanke an Schuld, an Sühne an Liebe, an was auch immer? Oder ist das auch nur eine Staubwolke bedeutungsloser Materie?“
„Nun ich darf doch sehr bitten, was soll all das. Wer sind sie und was geschieht hier?“ Kucera kniff die Auger nervös zu und versuchte zu verstehen, was hier mit ihm geschah. Versuchte auszubrechen, sich zu entziehen.
Das Wesen lehnte sich zurück. Der Stuhl unter ihm knarrte nicht. Denn der Stuhl existierte vielleicht gar nicht. Es sei denn nur als Kompromiss zwischen Kuceras Verstand und dem, was er nicht fassen konnte. Des Wesens Sternenaugen blinkten beobachtend, ermessend, ja gar geheimnisvoll. Dann sprach es ruhig ahnend, wie ein Arzt kurz bevor er seinen Patienten aufschneidet.
„Ich? Oh, ich bin bloß... ein Fehler in Ihrer Gleichung. Eine winzige Abweichung im dritten Nachkomma Ihrer Weltformel. Vielleicht der Dämon des Laplace, den sie so zu mögen gelernt haben, vielleicht sein Gegenteil Eine Unregelmäßigkeit, geboren aus Ihrer eigenen Präzision. Man könnte auch sagen: Ich bin das, was passiert, wenn ein Materialist konsequent denkt. Dass sind sie doch… konsequent im Denken?“
Ein Tropfen fiel in die Kaffeetasse – aber sie war leer. Dennoch kräuselt sich die Oberfläche. In konzentrischen Kreisen tanzten nun Buchstaben. Wörter. Ganze Sätze, aus ihrer Keramik Oberfläche herausspringend.
„Herr Kucera, erinnern Sie sich… an den Moment in Ihrer Jugend, als Sie an der offenen Lade des Nachts gestanden haben – und sich gefragt haben, ob da draußen nicht doch etwas ist, das bedeutet, und nicht nur ist? Sie haben es wegerklärt. Abgelegt. Abgeordnet an Neurotransmitter, an elektrische Impulse, an träumende Synapsen. Bravo.“
Ängstlich überforderte Blicke des Kucera trafen das Wesen.
„Und dennoch bin ich hier.“ Das Wesen lächelte höhnisch.
„Ich verstehe nicht, was mir geschieht,“ äffte es die sich kreisenden Gedanken des Magisters nach.
„Genau. Das ist keine Wahnvorstellung. Kein Traum. Kein Hirntumor. Dies könnte das Versagen Ihres Weltmodells an der Grenze seines Erklärungsraums sein. Ich bin kein Spuk. Ich bin ein Test. Daher gebe ich ihnen nochmals eine Chance.“
Ein Windhauch ging durch den Raum. Die Zeitung auf dem Tisch hatte plötzlich eine Schlagzeile:
Materie gibt Bedeutung zu!! Kucera schweigt!!
„Sagen Sie, Kucera… Wenn der Gedanke ‚Ich verstehe nicht, was mir geschieht‘ in Ihrem Hirn auftaucht, wo genau ist er? Können Sie mir die Stelle zeigen? Den Neuronensatz, das Koordinatensystem, das diesen Satz enthält – und nichts weiter?“
Der Magister raffte sich zusammen. Ein Test also, na servus. Was musste er sich auch unbewiesenes überweltliches Wünschen. Und jetzt sowas, ein Test… Aber das bedeutete auch, er könnte ihn bestehen und damit folgerichtig seiner misslichen Lage entkommen.
„Ein Test, also eine Prüfung. Nun gut wie sie wünschen. Selbstverständlich ist der Gedanke nichts weiter als Eine Spur. Entstanden im Zusammenspiel der Neuronen meines Gehirns und auf dem Bildschirm des Gehirns sichtbar projektziert, wie ein Computermodell Bilder auf den Bildschirmen eines Computers zeigen kann. Das ist ja wohl simple, oder?“
Das Wesen nickte. Langsam. Genüsslich. Wie ein Feinschmecker, der den ersten Biss noch auf der Zunge zergehen lässt, bevor er das Gift offenbaren würde.
„Wunderbar. Ein schöner Gedanke. Schön wie ein Schachzug in einem Spiel, dessen Regeln Sie sich selbst geschrieben haben. Doch sagen Sie… Wenn der Gedanke nur im neuronalen Zusammenspiel existiert...wer liest dann den Bildschirm?“
Ein zweiter Vogel flog in den Raum. Blieb aber mitten in der Luft stehen. Wie eine Art Pause-Symbol in der Luft. Und in diesem Stillstand flackerte für den Bruchteil einer Sekunde etwas anderes durch den Raum. Nicht sichtbar. Aber gewusst. Als hätte Kuceras Geist gerade etwas erkannt und sofort wieder verdrängt, um nicht zu brechen.
„Ein Computer berechnet, ja. Aber er versteht nichts. Ihr Gehirn feuert, ja. Aber wer versteht diesen Satz gerade?“
Ein Klirren. Eine alte Zuckerdose fiel um, doch rückwärts. Das Glas wurde ganz. Der Zucker fand seinen Weg zurück hinein. Zeit war kurz falschherum.
„Ihre Theorie ist sauber. Aber sie erklärt nichts. Sie ersetzt ein Mysterium durch ein anderes, dem Sie einen anderen Namen geben. Das Kind fragt: Warum ist der Himmel blau?
Sie antworten: Weil Licht gestreut wird. Und dann? Warum gibt es Licht? Warum sehen Sie Farben? Warum gibt es Sie?“
Das Licht änderte sich. Nur ein bisschen. So als hätte die Sonne beschlossen, heute statt gelb ein wenig enttäuscht-blau zu sein.
„Der Test hat begonnen, Herr Kucera. Nicht, ob Sie verstehen. Sondern, ob Sie erkennen, dass Sie nicht verstehen und warum das gefährlich für sie ist.“
„Gefährlich. Ach gel, ich denke zu verstehen... hier nur in meinem eigenen Wahntraum zu stecken. Und damit sind sie nichts anderes als Neuronengeflacker. Also nicht bös gemeint, aber gefährlich ist hier rein gar nicht. Ich wache sicher gleich auf und dann, dann wird alles wieder gut. Verstehens?“
Der Sternenwächter hob eine Hand, oder besser gesagt etwas, das die Form einer Hand angenommen hatte. Doch es zeigte nicht auf den Magister, sondern auf die Welt um ihn herum. Und mit einer leichten, fast nachlässigen Bewegung, tippte er in die Luft. Tassen zersprangen wie in Zeitlupe. Langsam, grausam, genüsslich. Die Scherben flogen jedoch nicht, sie zerlegten sich in geometrische Muster. Aus Porzellan wurde Kalk, aus Kalk wurde Formel, aus Formel wurde Leere und dahinter blitze kurz ein unsichtbares Gesetz.
„Wie bequem. Wenn Sie nicht erklären können, was geschieht, nennen Sie es Wahn.
Wenn Sie es nicht messen können, nennen Sie es Träumerei. Und wenn Sie es nicht kontrollieren, dann sagen Sie, Sie wachen bald auf.“
Der Raum veränderte sich und wirkte plötzlich unentschieden. Als hätte sich das Café nicht festgelegt, ob es real oder Kulisse sein will. Die Tische wirkten plastisch, aber nicht stofflich. Die Geräusche verhallten unerkannt.
„Sie sagen, ich bin ein Wahntraum. Gut. Aber beantworten Sie mir eine Frage: Wie kann ein Wahn Dinge tun, die nicht in Ihrer Erinnerung, nicht in Ihrem Wissen, nicht in Ihrer Erfahrung vorkommen und nicht in den Grenzen ihres Denken verstofflicht wurden? Wie kann ein Neuronengeflacker...Widerstand leisten?“
Im Fenster draußen war Wien schon längst verschwunden. Kein Verkehr, keine Straßenbahn mehr zu hören. Keine Menschen gingen mehr umher. Es war nur Schwärze. Und der Magister blickte sich verwundert um.
„Was, wenn Sie nicht aufwachen, sondern noch gar nie aufgewacht sind?
Was, wenn Ihre gesamte Wirklichkeit – Kaffee, Staub, Laplace, eine Simulation ist, nicht technologisch, sondern ontologisch? Geschrieben auf kosmischen Tafeln von größeren Geistern und mit dem Willen des Erhabenen ins Sein gebracht.“
Er legte nun, fast zärtlich, einen Zettel auf deinen Tisch. Darauf stand:
„Du träumst nicht, Magister. Du wirst geträumt.“
„Wie, Wie meins, ich werde geträumt?“ Der Magister war bereits spürbar unsicher, doch hielt er sich noch ehrlich fest mit letzter Kraft am Wissen seines Seins.
„Woher holen sie sich solche These. Und wie bilden sie sich ein, diese hier ohne Beweis zu platzieren. Materie träumt nicht! Ein Test soll es sein dann bitte fair gespielt!“
Der Wächter lächelt nicht mehr. Er hat nichts zu lächeln.
„Natürlich sehen Sie keinen Beweis, Herr Kucera. Ein Traum erkennt seine Grenzen nicht.
Ein Fisch erkennt das Wasser nicht. Und Sie – erkennen nicht, dass Sie nie aus der Matrix der Materie herausgeschaut haben. Sie schauen stoisch, fast bewundernswert, immerzu nach unten. Aber schauen sie nur was jetzt dort vorne geschieht!“
Ein anderer Gast stand auf. Ein alter Herr mit Zeitung. Er ging zur Tür. Öffnete sie. Dahinter ist kein Gehsteig. Dahinter ist... eine Bühne. Mit Licht, dunklem Saal, leeren Rängen. Und im Saal: Applaus. Für den Magister. Und das nur für ihn. Der alte Mann verbeugte sich ganz höflich ruhig: „Bravo, Kucera. Was für eine Rolle. Grandios!“
Dann schließt sich die Tür. Und der Klang verstummt.
„Beweise wollen Sie? Na gut. Ich bin großzügig. Ich gebe Ihnen keinen!“
Der Magister schaute entsetzt, es wurde ihm alles zu viel, zu bunt und all der Applaus. Jetzt reichte es ihm. Doch er konnte sich nicht rühren und musste wie erstarrt weiter zuhören.
„Ich gebe Ihnen ein Paradoxon. Und Sie sagen mir, ob Ihre Materie das löst.“
Er tippte mit einem langen Finger auf die Tischplatte. Es klang nicht nach Holz sondern nach klarem Glas. Hohlglas. Und aus dem Tisch stieg die Stimme des Magisters selbst, kristallklar und verzerrend schmerzhaft.
„Ich bin sicher, dass nur das Materielle existiert.“
„Woher weiß der Satz, dass er wahr ist? Ist Wahrheit selbst materiell? Gibt es Atome des Wahrheitswerts? Moleküle des Gewissens? Oder... ist Wahrheit bereits etwas, das Ihre Theorie nicht herstellen kann – und doch voraussetzt, um sich selbst zu beweisen?“
Zirkelschluss. Selbst der Magister erkannte den unübersehbaren Fehler, das immerwährende Kreisen der Widersprüche. Ein Riss zog sich durch sein Weltbild. Es erinnerte ihn dumpf... an einen Kindheitstraum, in dem er wusste, dass alles nur Kulisse war und doch mehr, viel mehr. Lange verdrängt. Jetzt... hier.
„Sagen Sie es doch laut, Magister.
‚Ich weiß, dass ich nur Materie bin.‘
Und dann sagen Sie mir, wer das gerade gesagt hat und Wahrheitsanspruch darauf erhebt.“
„Ich bin Materie und Materie gebiert Materie und der Geist ist nicht als Materie, die eine Projektion ihrer Prozesse hinaus wirft, ... hinaus wirft ...“ Der Magister weinte nun und verstummte. Verschämt und traurig wendet er sich ab. Kühl befeuchten Tränen sein Gesicht. Er kann nicht mehr. Fühlte sich überfordert. Doch dann Widerstand und Selbstgerechte bosheit.
„Ja in was denn... Nein niemals,“ schreit er das Wesen an.
„Warum quälst du mich, verschwinde! Ich lasse mich niemals übertrumpfen. Erst recht nicht von Neuronenschemen! Materie ist Messbar doch Gedanken und Bewusstsein nicht, also ist das, was messbar ist erklärlich und der Rest nichts weiter als Gespinst. Hörst du mich, du Gespenst, du Nichts, du Schatten der unbedeutsamen Leere!“
Der Sternenrichter blickte herab. Er wusste schon, wie das Urteil lauten würde. Doch bevor er sprechen konnte, wurde es plötzlich… still. Eine andere Präsenz trat ein. Und mit ihr, Hitze.
Nicht die Hitze des Sommers. Nicht physikalisch messbare Wärme. Sondern eine alte Hitze. Wie aus den Fundamenten des Seins selbst. Ein Flammenzucken durchzog den Raum. Nicht rot. Nicht gelb. Sondern in der Farbe von alter unsagbarer Schuld. Der Raum verkümmert in sich wie luftentleerte Lungen, und an einem Tisch neben den Beiden saß plötzlich der Teufel.
Schlank, perfekt gekleidet, in einem altmodischen Wrack mit leicht brennenden Manschetten. Die Zigarette in seiner Hand rauchte er sie rückwärts. Sein Lächeln war messerscharf, aber voller Charme. In den Augen glühte kein Hass kein Zorn, sondern nur vorgetäuschtes Verständnis.
„Na also, Herr Magister. Endlich sagt es mal jemand mit Überzeugung. Der Geist? Eine Nebenwirkung! Bewusstsein? Eine neuroelektrische Halluzination! Ich bin sehr stolz auf Sie.“
Er erhob sein Glas gefüllt mit hässlicher schwarzer Flüssigkeit darin und prostete dem Kucera zu.
„Wissen Sie, wer am besten lügt? Jene, die ihre Lüge glauben. Sie haben sich entschieden, Herr Kucera. Für das Messbare. Für das Kalkulierbare. Und das…“ fast ehrerbietig lehnte er sich vor, „Das ist exakt nach unserem Geschmack. Aber keine Sorge. Ich bin beim nächsten Mal wieder dabei. Und irgendwann… irgendwann glaubt man seine Ketten nicht nur – man liebt sie.“ Höhnisch lachend verhallt sein Raunen und er selbst im verblasenden Zigarrenrauch.
„Der Test ist fehlgeschlagen. Wieder!"
Ein Wind wehte durch das Café – von innen nach außen. Die Luft kehrte sich um. Die Fenster wurden zu Spiegeln, dann zu Augen.
„Sie haben versucht, sich mit Gewissheit zu schützen. Aber Gewissheit ist das Kleid der Angst, nicht der Wahrheit. Sie klammern sich an die Messung wie ein Blinder an den Maßstab, der ihm sagt, wo der Abgrund beginnt, aber nicht, ob es Licht gibt. Die Schleife 1324 wird zurückgesetzt. 1325 wird gestartet.
„Nein, nein…“ Schrie bitterlich kreischend Herr Kucera, „nicht noch einmal bitte nicht! Ich halte das nicht mehr aus bitte Erbarmen, Gnade!“
Doch was half es nun, da Herrn Kucera alle früheren Durchläufe bewusst wurden. Sein Leid und seine ausweglose Gefangenschaft im eigenen dünkelhaften Denken zog ihn zurück zum Anfang. Es beförderte ihn zurück zum ungewollt gewollten ontologischen Ruf.
Das Licht im Raum implodierte. Ein dumpfer Schlag ertönte und die Zeit stürzte in sich zusammen.
Die müde Nachmittagssonne schien durchs Fenster und ließ den Tanz der Materie erneut erscheinen. Der frische Kaffee dampfte heiß in der Tasse. Ein neuer alter Tag. Ein neues altes Getränk. Doch diesmal ging ein Ruck durch Kuceras Herz. Sein Leid schrie länger als je zuvor in die plötzlich bekannte Szene. Es dämmerte ihm, was nie zuvor ihm dämmerte. Ja aber woher? Es kam finster und lichtvoll zugleich aus dem grundlosen Grund jenseits der Zeit. Ein Gefühl gleich einem zarten Ruf. Materie folgte der Materie im endlosen Reigen doch, dieses Gefühl dieses Rufen. Woher der Missmut woher der Widerstand sich weiter gefangen halten zu lassen im endlosen Kreis. Kucera erkannte in diesem Moment etwas, dass ihm niemals zuvor aufgefallen war und plötzlich ihm wie Schuppen von den Augen fiel. Es konnte nicht sein das Materie sich selbst verleugnet und sich sehnt nach etwas in unbekannter Ferne. Unmöglich und doch die Antwort. Lächelnd schaut er auf und holte sein Handy hervor. Dr. Pollacek antworte verwundert am anderen Ende der Leitung.
„Ja bitte kommens nochmal her. Ihre Idee, auch wenns nicht glauben können, ich will sie nochmals hören,“ sagte Kucera zufrieden.
Als er nach draußen blickte, sah er einen Vogel am Gehsteig herum hüpfen. Dann schaute er zum Magister auf und zwinkerte keck zustimmend.
„Na sehns, geht doch!“ meinte der Magister zu hören und lehnte sich zurück in unbekannte gedankliche Gewässer jenseits dunkler Materie.
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