Die ersten Stufen eines authentischen mystischen Weges

Spirituelle Wege und Angebote scheint es dieser Tage viele zu geben. Eine kleine Suche bei Google reicht schon, um ein reiches Angebot zu finden. Von Yoga über schamanische Reisen bis zu den drehenden Tanzderwischen, von Qi Gong über Hexenkunst bis Tarotkarten legen, findet sich ein enormes Spektrum, das irgendwie so dargestellt wird, als wäre es ein echter spiritueller Weg.

Als wäre es der Weg zu ewigem Glück und großen mystischen Kräften und Einsichten. Allein diese Behauptung sollte skeptisch machen, denn gerade das ist überhaupt nicht Ziel eines authentischen Weges. Noch dazu kommt, dass diese Wege dann meistens noch nicht einmal von den eigentlichen kulturellen Trägern vermittelt, sondern in einer seichten esoterikmarktkonformen Art nicht zuletzt von Hans Jürgen Piepenbrink an der Volkshochschule oder der Esoterikmesse feilgeboten werden. Kurz gesagt, es geht darum etwas zu verkaufen. Und verkaufen kann man halt viel besser Glück, Reichtum, konkrete Problemlösung für Job und Liebe sowie EGO-inflationierende mystische Kräfte. Was sich nicht verkaufen lässt, ist der Inhalt eines authentischen Weges, da dieser insbesondere am Anfang explizit gegen die Wünsche und Neigungen einer unentwickelten Persönlichkeit angeht. Ja, angehen muss!!!

Die islamische Mystik nennt diese unentwickelte Persönlichkeit – Nafsu Ammara bi-Su´ - Das nach Schlechten strebende Selbst - gemeint ist die Persönlichkeit, die nach rücksichtsloser Befriedung ihr Zentraltriebe strebt und demnach der unentwickelte Mensch auf diese Art handelt, denkt und fühlt.

Nicht jeder Mensch startet an diesem Punkt, da manche wenige durch ihre Erziehung und der Umgebung, in die sie hineingeboren wurden, bereits von Kindheit angeleitet sind oder ihr Lebensumstände ihnen bereits wichtige Dinge zeigten. Doch für die allermeisten Menschen wird wohl gelten, dass sie am Anfang des Weges mit ihrer unentwickelten Persönlichkeit konfrontiert werden. Und das ist nicht schön und kein Verkaufsargument. Alles andere von mystischen Erfahrungen und einer tiefen Lebenszufriedenheit kommt erst weit später auf dem Weg, als Frucht und Lohn für Ausdauer und Aufrichtigkeit. Also nichts für eine schnelllebige kapitalistische Gesellschaft und ihren instant Lösungswünschen.

Wie also beginnt nun ein authentischer Weg?

Der erste Schritt auf dem Weg ist immer definiert als eine innere Motivation den Weg der Selbstentwicklung zu beginnen.

Der jemenitische Gelehrte Imam Haddad (17. Jahrhundert europäischer Kalender) sagte hierzu in seinem Buch - Das Benehmen des Gottessuchers:

„Wisse, dass dieser Weg mit einer inneren Sehnsucht beginnt, welche dem Herzen des Dieners eingegeben wird. Diese Sehnsucht versetzt ihn in innere Unruhe und ruft ihn dazu auf, sich dem Weg zu Allah und dem Jenseits zuzuwenden. Zugleich motiviert sie ihn sich von der Welt abzuwenden …“

Diese innere Motivation ist die Initialzündung für den Aspiranten und bringt ihn auf Kurs. Oft wird sie durch tiefgreifende Erlebnisse ausgelöst durch sogenannte Initiationserlebnisse, die das vergangene Leben zutiefst erschüttern und in Frage stellen. Aber das muss nicht immer der Fall sein. Manchmal ist es der Blick eines besonderen Dieners Gottes oder der Hauch eines Engels, der den Menschen zu der langen Reise inspiriert.

Da es hier KI und Mystik heißt habe ich ChatGPT gefragt mir ein entsprechendes Bild anzufertigen. Ich muss sagen, beeindruckende Leistung, auch wenn der emotionale Ausdruck nicht ganz getroffen wurde:

Der von innerer Motivation getroffene islamsiche Schüler (Quelle: Mein Account bei DALL-E-3)

Die erste Reisestation (Maqam) auf dem Weg der islamischen Mystik ist die Station der Reue – Maqam Tawba.

Die Weisen sagen: „Mit der Reue beginnen wir und zur Reue kehren wir immer wieder zurück.“ Wichtige wahre Worte, denn der Weg ist iterativ in seiner Natur. Er hat seine Auf und Abs und je tiefer man eintaucht, desto unterschiedlicher werden die Erlebnisse und Durchdringungen der eigenen Persönlichkeit und demnach auch die Notwendigkeiten wieder zur Reue zurück zu kehren.

Doch was ist mit der Reisestation der Reue gemeint?

Es handelt sich hierbei um einen notwendigen Startprozess der intensiven Selbstanalyse und Korrektur. Es hat nichts mit einer weinerlichen Frömmlerei zu tun oder einer „Ändere deine negativen Glaubenssätze“ ala positiv thinking, sondern muss als harte Selbstkonfrontation geschehen, um wirksam zu sein. Alle Lebensverfehlungen gegenüber sich selbst, seinen Mitmenschen und Mit-Wesen (Tiere usw.) sowie seine Verfehlungen gegenüber den göttlichen Schöpfungssatzungen müssen aufgearbeitet werden. Es wird jedoch nicht nur gefordert sich der Fehler klar zu werden, sondern zu einer echten Reue gehört die Korrektur und das Wiedergutmachen in den Bereichen, wo es möglich ist. Das ist die große Herausforderung dieser Reisestufe, da es enorme innere Stärke erfordert seine Fehler einzugestehen. Darüber hinaus möglicherweise auch noch zu einem Menschen zu gehen, den gegenüber man sich versündigte und um Verzeihung zu bitten.

Es ist sehr empfohlen den Weg in einer Gruppe zu gehen, die von einem erfahrenen Mystiker und Gelehrten geleitet wird. Die Gruppe kann dabei hilfreich sein die innere Schwere zu überwinden und der Lehrer gibt die notwendigen Impulse, die man sich selbst oft nicht eingestehen mag.

Ohne diese Stufe gibt es kein echtes Fortkommen auf dem Weg, was zum Anfang des Artikels zurückführt – Jeder möge sich selber fragen, wie authentisch entsprechende spirituelle Angebote sein können, wenn sie die wichtigste erste Stufe geflissentlich oder aus echter Unwissenheit überspringen.

Auch hier zum Abschluss die Bildansichten einer KI zum Thema Reue: 

Der von Reue geplagte Schüler (Quelle: Mein Account bei DALL-E-3)